1. Einführung
Dieser Vortrag beschreibt eine wesentliche Problematik aller Stahl- und Stahlbetonkonstruktionen im maritimen Stahlwasserbau – die Korrosion.
Neben der Definition und Beschreibung der Ursachen der Korrosion wird die Funktion und Wirkungsweise des Kathodischen Korrosionsschutzes (KKS) dargestellt, welcher auch oftmals „aktiver“ Korrosionsschutz genannt wird, zur Abgrenzung zum „passiven“ Korrosionsschutz durch Beschichtung.
Für Seewasserbauwerke, wie Pfähle, Spundwände usw. werden meist Konstruktionen aus Stahl oder Stahlbeton eingesetzt.
Überwiegend handelt es sich hierbei um Konstruktionen aus unlegierten oder
niedriglegierten Stählen. Diese Werkstoffe unterscheiden sich in ihren chemischen
Eigenschaften praktisch nicht. Die für Sonderfälle vorgesehenen hochlegierten,
sogenannten nichtrostenden Stähle, zeigen jedoch ein völlig andersartiges chemisches Verhalten, das je nach Legierungstyp in weiten Grenzen schwanken kann.
In dieser Darstellung zum Korrosionsverhalten wird vornehmlich die Gruppe der
unlegierten und niedriglegierten Stahlgüten behandelt. Geringfügige Unterschiede in
der chemischen Zusammensetzung der Stähle können vernachlässigt werden. Daher
wird im Folgenden diese Gruppe vereinfachend mit „Stahl“ bezeichnet.
Abbildung 1:Ohne Korrosionsschutz!
2. Korrosion
Unter „Korrosion“ versteht man Reaktionen des Werkstoffs mit chemischen
Bestandteilen in seiner Umgebung.
Dadurch verursachte Veränderungen sind Korrosionserscheinungen. Bei Stahl in
Wässern und in feuchtem Erdboden ist dies stets die Umwandlung von Eisen in
meist feste Korrosionsprodukte, bekannt als Rost und der damit hervorgerufenen
Materialverlustes. Ob dadurch auch ein Schaden entsteht, ist ausschließlich eine
Frage des Ausmaßes der Korrosion und der Anforderung an das Bauteil. Wenn das
Bauteil seine Funktion nicht mehr erfüllt oder wenn es seine Funktion während
seiner vorgesehenen Betriebsdauer verlieren kann, liegt ein Schaden vor. Das ist bei
Pfählen und Spundwänden dann der Fall, wenn die Wandung perforiert wird und
somit den betrieblichen Anforderungen nicht mehr genügt. Im Allgemeinen ist
davon auszugehen, dass der Tatbestand eines Korrosionsschadens vorliegt, wenn die
Mindestwanddicke unzulässig unterschritten ist.
Diese in DIN 50900 dargelegte Unterscheidung zwischen den verschiedenen
Begriffen zur Korrosion berücksichtigt den Tatbestand, dass alle Gebrauchsmetalle
im Allgemeinen mehr oder weniger schnell korrodieren, ohne dass hiermit
zwangsläufig auch Schäden auftreten.
Wesentlich für die Beurteilung der Korrosionsbeständigkeit ist immer die Definition
der an das Produkt zu stellenden Anforderung und somit die tolerierbare maximale
Korrosionsgeschwindigkeit. Für Stahlkonstruktionen im Seewasserbereich kann
diese mit wenigen 0,01 mm/Jahr angesetzt werden. Sollten jedoch
Korrosionsgeschwindigkeiten bei wenigen 0,1 mm/Jahr vorliegen, können diese je
nach Wanddicke der Pfähle oder Spundwandprofilen zu Spätschäden führen oder
bleiben ohne Folgen, wenn z. B. die Korrosionsraten im Laufe der Zeit durch
Deckschichtbildung abnehmen. Diese abtragende Korrosion wird im Allgemeinen
bei der Auslegung der Stahlkonstruktion durch einen Wanddickenzuschlag
berücksichtigt. Gefährlich sind solche Korrosionsbedingungen, bei denen
Korrosionsgeschwindigkeiten von einigen mm/Jahr auftreten, weil diese in den
meisten Fällen in wenigen Jahren zum Wanddurchbruch bzw. Materialversagen
führen.
Um den KKS und die Wirkungsweise zu verstehen, muss man jedoch erst einmal die
elektrochemischen Ursachen und Reaktionen der Korrosion betrachten.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der KKS in seiner Wirkungsweise zur
Minimierung bzw. Eliminierung der elektrochemischen Korrosion, welche die meist
verbreitete und dominante Form der Korrosion bei Stahl darstellt, genutzt wird.
3. Grundlagen der elektrochemischen Korrosion
Gemäß DIN 50 900, Teil 2, wird die elektrochemische Korrosion wie folgt definiert:
Korrosion, bei der elektrochemische Vorgänge stattfinden. Sie laufen ausschließlich
in Gegenwart einer ionenleitenden Phase ab. Hierbei muss die Korrosion nicht
unmittelbar durch einen elektrolytischen Metallabtrag bewirkt werden, sie kann auch
durch Reaktion mit einem elektrolytischen Zwischenprodukt (z.B. atomarer
Wasserstoff) erfolgen.
Die elektrochemische Reaktion ist die häufigste Ursache der Korrosion von
Metallen. Kennzeichnend ist der Transport von elektrischer Ladung zwischen den
beteiligten Phasen - messbar durch den fließenden Strom.
3.1. Thermodynamische Betrachtungen zur Stabilität
von Eisen
Wird der Werkstoff Stahl, im allgemeinen Baustahl, der Atmosphäre oder dem
Wasser ausgesetzt, so wird gleichzeitig seine Stabilität gefährdet. Die Ursache kann
auf Basis der Elektrochemie (s. Abschnitt 3.2) aber auch über die Energiebilanz
erklärt werden: Der physikochemisch stabile Zustand der Materie ist im
ungeordneten, energiearmen Zustand (hohe Entropie) zu beschreiben. Die stabile
Form des Eisens an der Atmosphäre ist der oxidierte Zustand. Eisen in der Erdkruste
liegt als Erz (Oxide, Sulfide, Karbonate, etc.) also in nicht reiner Form vor. Zur
Gewinnung von Eisen bzw. Stahl muss im Hochofenprozess dieser
Ausgangszustand durch Zufuhr von Energie überwunden werden. Dieser künstlich
hohe Energiezustand des metallischen Eisens (hohe Ordnung - geringe Entropie)
kann unter den Bedingungen an der Erdoberfläche nicht ohne besondere
Maßnahmen aufrechterhalten werden. Das Streben nach dem energieärmeren
Ausgangszustand leitet den Prozess des Zerfalls ein. Das heißt, dass das Eisen die
Energie wieder freigibt, die ihm bei der Verhüttung zugeführt worden ist. In Worten
der Thermodynamik ausgedrückt, lässt sich der Vorgang auch als Übergang eines
hoch geordneten Systems zum ungeordneten System, also als Maß der maximalen
Entropie (Maß für die Unordnung), beschreiben. Derartige Reaktionen laufen nicht
in direkter Abfolge ab bzw. sind diese in ihrer Geschwindigkeit von der Kinetik
bestimmt. So können z.B. neugebildete Oxidschichten (z.B. Fe3O4 (Magnetit)) auf
der Metalloberfläche die Reaktionsgeschwindigkeit wiederum erheblich reduzieren
oder sogar zum Stillstand bringen.
Abbildung 2: Redox-Kreislauf des Eisens
3.2. Elektrochemische Teilreaktionen
Aufgrund der einher laufenden Ladungsverteilungen kommt es zur Herausbildung
negativ und positiv geladener Bereiche. Infolgedessen kann man auch anodische und
kathodische Teilprozesse unterscheiden. Die entstehenden Teilströme sind u. a. vom
Potentialunterschied der beteiligten Phasen abhängig bzw. proportional.
Die treibende Kraft der elektrochemischen Korrosion sind Potentialdifferenzen
(unterschiedliche Ladungsverteilungen) zwischen verschiedenen Bereichen des
Stahls oder zwischen verschiedenen Metallen. Die entstehenden Teilströme und
damit einhergehende Korrosionsraten (s. Faraday’sches Gesetz, Abschnitt 3.2.5)
sind dabei proportional abhängig von dem Potentialunterschied (Spannung)
zwischen den beteiligten Bereichen oder Metallen
.
3.2.1. Anodische Teilreaktion
Die oben beschriebene "Triebkraft" von Metallen in den stabileren Ausgangszustand
zurückzukehren führt in der Umgebung von Elektrolyten zu Lösungsvorgängen. Die
chemische Reaktionsgleichung für Eisen kann dabei wie folgt beschrieben werden:
Anodische Reaktion: Feo Fe++ + 2e- (Gl. 1)
Das zunächst elektrisch neutrale Eisen wird in einem Elektrolyten (wässrige
Lösung) eine (stoffspezifische) Auflösung erfahren. Dabei entsteht, unter
Freisetzung von Elektronen der äußeren Atomhülle, ein positiv geladenes Ion (Fe2+),
auch Kation genannt. Dieses Ion überwindet die Phasengrenze Eisen/Elektrolyt und
geht im wässrigen Milieu in Lösung. Die Elektronen hingegen verbleiben im Metall
wegen dessen hervorragenden Elektronenleitfähigkeit. Dabei wird die
Metalloberfläche, aufgrund der Ladung der Elektronen, elektrisch negativ
aufgeladen. Mit zunehmend negativer Ladung wird es für neu entstehende Ionen
wegen der gleichzeitigen Elektronenanreicherung immer schwieriger zu entweichen,
da die sog. Rückhaltekraft (Anziehung von positiv und negativ geladenen Teilchen)
der Abwanderung der positiv geladenen Metallionen entgegenwirkt (s. Abb. 3).
Hierbei wird sich letztlich ein Gleichgewichtszustand einstellen, welcher eine
weitere Ionisation, d.h. Auflösung des Eisens, verhindert.
Abbildung 3: Anodischer Teilschritt
3.2.2. Kathodische Teilreaktion
Die Möglichkeit einer kathodischen Reaktion ist dort gegeben, wo sich Elektronen
angereichert haben. Da diese Bereiche elektrisch negativ geladen sind, spricht man
von Kathoden (ziehen Kationen an).
Diese verbleiben zunächst an der Metalloberfläche, solange ein Elektronenakzeptor
oder die äußere Einwirkung elektrischer Ströme fehlt. Stehen an der
Metalloberfläche Reaktionspartner zur Verfügung, z.B. Sauerstoff (O2) und Wasser
(H2O), so verläuft im chemisch neutralen Medium die Reaktion nach dem Muster
von Gleichung 2.
½ O2 + H2O +2e- 2(OH)- (Gl. 2)
Dabei wird Sauerstoff durch e--Aufnahme, unter Bildung von negativ geladenen
Hydroxylionen, reduziert. Bei dieser Reaktion werden Elektronen und Sauerstoff
verbraucht; fehlt einer der Reaktionspartner, kommt die Reaktion zum Stillstand.
Daneben zeigt die Gleichung 2, dass ein Elektrolyt (Wasser) zur Verfügung stehen
muss.
Neben dieser kathodischen Teilreaktion gibt es noch weitere, jedoch meist
untergeordnete Reaktionen, die hier nicht weiter behandelt werden.
3.2.3. Korrosionszelle
Beide oben beschriebenen Teilreaktionen kommen nur dann zur vollen
Wirksamkeit, wenn sie in räumlichem Zusammenhang stehen und gleichzeitig
ablaufen. Die Ionisation (Oxidation) von Eisen im Stahl ist nur dann weiter möglich,
wenn die Rückhaltekraft durch die elektrisch negative Ladung an der
Stahloberfläche nachlässt. Dies geschieht z.B. durch den Abzug von Elektronen.
Dies wird wiederum durch den kathodischen Prozess des Elektronenverbrauchs
unter Hydroxylbildung bewerkstelligt. Das heißt umgekehrt, dass eine
Eisenauflösung auch kathodisch gesteuert sein kann, indem an einer großen Kathode
viele Elektronen verbraucht werden. Bildlich kann dieser Vorgang so verstanden
werden, dass frei werdende Elektronen von der Anode "abgesaugt" werden, mit der
Folge, dass der anodische Prozess der Eisenauflösung beschleunigt wird (s. Abb. 4).
Abbildung 4: Korrosionszelle am Beispiel eines eingetauchten Stahlteiles
3.2.4. Elektroden
Elektroden können als Anode (Metallauflösung) oder als Kathode (Ort der
Abscheidung von Metallen/Stoffen) ausgebildet sein. Diese Vorgänge können als
Teilkurven in Strom-Spannungs-Kurven dargestellt werden. Der anodische
Teilstrom ist durch die Menge des aufgelösten Metalls charakterisiert und kann mit
dem Faraday‘schen Gesetz (s. Abschnitt 3.2.5) berechnet werden. Die kathodische
Teilkurve kann über die Menge des entwickelten Wasserstoffes oder Hydroxylionen
(Sauerstoffreduktion) berechnet werden. Der Übergang vom kathodischen zum
anodischen Bereich liegt auf der Abszisse (U) ohne messbare Stromdichte (i=0). Die
Schnittpunkte werden als Gleichgewichtspotentiale (UA bzw. UK) bezeichnet. In der
Summe ergeben beide Teilkurven eine Stromdichte-Potential-Kurve (Abb. 5).
Zwischen den Gleichgewichtspotentialen der Teilreaktionen liegt das freie
Korrosionspotential (UR; synonym für Ruhepotential). Da beide Teilprozesse an
einer Elektrode (korrodierender Werkstoff) ablaufen, spricht man auch von einer
(homogenen) Mischelektrode. Mit dem Austreten von Metallionen entsteht an der
Anode ein Auflösungsstrom der Stromdichte i1. Dieser ist wiederum abhängig vom
Verbrauch an Elektronen an der Kathode, womit der Sauerstoffdiffusionsstrom (i2)
beschrieben ist. Aus beiden Teilkurven kann eine Summenkurve erstellt werden.
Ohne Einwirkung eines äußeren Stromes wird im Gleichgewichtspotentialpunkt
gleichzeitig das Korrosions- bzw. Mischpotential eines Werkstoffes erkennbar. Der
Betrag der Verschiebung der Kurve entlang der Abszisse, z.B. durch äußeren Strom,
entspricht der Überspannung, welcher gleichzeitig dem Polarisationspotential
entspricht.
Abbildung 5: Stromdichte-Potential-Kurven der beiden Teilreaktionen
(qualitativ, Homogene Mischelektrode)
Die Steigung der Summenkurve beim Durchtritt durch die Abszisse
(Gleichgewichtspotential) ist ein Maß für die Polarisierbarkeit und zugleich ein
reziprokes Maß für die Korrodierbarkeit: Eine große Steigung (delta U/delta i) zeigt z.B.
eine kleine Polarisation mit großer Korrosion an.
Indem sich homogene Mischelektroden dadurch auszeichnen, dass Anode und
Kathode sich ständig verschieben bzw. wechseln, führt dies zu einem
(gleichmäßigen) Flächenabtrag. Bei heterogenen Mischelektroden hingegen sind
Anode und Kathode räumlich festgelegt. Üblicherweise stark ausgeprägt ist dies bei
Kombination unterschiedlich edler Metalle. In der Summenstrom-Potential-Kurve
zeigt sich dies durch die Verschiebung des Korrosionsmischpotentials (Ukk). Eine
derartige Kontaktkorrosion auf Basis eines Galvanischen Elements führt im
anodischen Bereich zur Lochfraßkorrosion.
3.2.5. Abtrag gemäß Faraday'schem Gesetz
Sind zwei Metalle mit unterschiedlichem Ruhepotential unmittelbar (metallen
leitend) und durch einen Elektrolyten verbunden, so fließt gemäß dem Ohm'schen
Gesetz (U ~ I R) ein Strom zwischen beiden Metallen. Der Metallabtrag bzw.
Massenverlust (m) des unedleren Materials (Anode) ist nach Faraday der
Elektrizitätsmenge proportional (m ~ Q ~ I t). Durch Formelumstellung gelangt
man zur folgenden Gleichung, die eine Quantifizierung des Abtrages ermöglicht:
m= M x I x t/(z x F (Gl. 3)
m = Masse des abgeschieden Stoffes [g]
M = molare Masse des Stoffes [g/mol] (hier Eisen: 55,8 g/mol)
I = Stromstärke [A]
t = Zeit bzw. Dauer der Einwirkung [s]
z = Wertigkeit (Ladung) des entladenen Ions (n = 1 bis 5, Eisen: 3)
F = Faraday-Konstante [96 485 As/mol]
3.3. Einflussgrößen für den Ablauf der Korrosion
Die Korrosionserscheinung und das Maß des korrosiven Abtrages an einer Elektrode
hängen von verschiedenen Randbedingungen ab. Die Hauptursachen liegen zunächst
im Elektrodenmaterial selbst, wie auch in dem umgebenden Elektrolyten begründet.
Einige der Einflussgrößen für den Ablauf der Korrosion sind im Folgenden
beschrieben.
3.3.1. Passivierung
Die Passivierung geschieht meistens durch die Entstehung dünner, fest haftender
Oxid- bzw. Salzschichten, welche den Stahl porenfrei bedecken. Dadurch ist kein
Durchtritt von Metallionen in den Elektrolyten mehr möglich. Passivschichten haben
gewöhnlich einen nur begrenzten Stabilitätsbereich.
3.3.2. Galvanische Elemente, Elektrochemische Spannungsreihe
Auf Grund von unterschiedlichen Potentialen von Metallen in Elektrolyten (s.
elektrochemische Spannungsreihe) kommt es bei einer galvanischen Verbindung
unterschiedlicher Metalle in einem Elektrolyten zu einem Stromfluss vom Metall
mit dem negativeren Potenzial zum Metall mit dem positiveren Potential, d.h. das
negativere Metall wirkt als Anode und korrodiert. Diesem Vorgang nennt man auch
Kontaktkorrosion.
Werden zwei verschiedene Metalle miteinander kombiniert, z.B. aus konstruktiven
Gründen, so stehen diese gewöhnlich in elektrisch leitenden Kontakt zueinander.
Der Stromkreis wird durch Eintauchen in einen Elektrolyten geschlossen
("kurzgeschlossenes Kontaktkorrosionselement"). Da zwei Metalle meist auch
unterschiedliche Korrosionspotentiale besitzen, ist die Korrosion des unedleren
Metalls vorhersehbar (Ausnahme: vorliegende Passivierungsschichten). Eine
Erhöhung der (anodischen) Stromdichte stellt sich, entsprechend der Flächenregel,
bei großem Verhältnis der Fläche Kathode/Anode ein. Die Stromdichte ist dabei
unmittelbar an der Kontaktstelle am größten. In Tabelle 1 sind Massenverluste von
Metallen im Kontakt mit Eisen in Kochsalzlösung aufgelistet.
Zweites Metall |
Korrodiertes Fe [mg] |
Korrodiertes zweites Metall [mg] |
Magnesium |
0,0 |
3.104,3 |
Zink |
0,4 |
688,0 |
Aluminium |
9,8 |
105,9 |
Blei |
183,2 |
3,6 |
Nickel |
180,0 |
1,6 |
Kupfer |
183,1 |
0,0 |
Tabelle 1: Massenverluste von Metallen im Kontakt mit Eisen (in 1%iger NaCl-Lösung) [1]
3.3.3. Einfluss des Elektrolyten
Das Immersionsmedium (Elektrolyt) beeinflusst das Korrosionsverhalten von Stahl
auf vielfältigste Weise. Vorkommende Anionen (Chlorid, Sulfat) greifen die
Rostschicht an bzw. überführen Eisen in leicht lösliche Verbindungen. Sie erhöhen
die Leitfähigkeit und erhöhen dadurch auch die den Strom zwischen Anode und
Kathode und damit auch den Abtrag an der Anode. Maßgeblich ist
selbstverständlich auch der Sauerstoffgehalt des Elektrolyten. Bei zonierten O2-
Konzentrationen treten Belüftungselemente auf. Erhöhte Gehalte an Alkalien tragen
zur Schutzschichtbildung am Stahl und zur Erhöhung des pH-Wertes und der
Säurekapazität und somit insgesamt zur höheren Stabilität des Stahlbauteiles bei.
3.3.4. Flächenverhältnis
Die Eisenabträge sind abhängig vom an der Anode austretenden Strom. Dabei gilt
bezogen auf die Anoden- und Kathodenflächen und Ströme die folgende
Flächenregel (i = Stromdichte, a = Fläche):
iAnode aAnode = iKathode aKathode (Gl. 4)
Die Flächenregel besagt z.B. dass die spezifische Anodenstromdichte der
Anodenflächen im reziproken Verhältniss zur Kathodenfläche steht. Dadurch kann
bei kleinen Anodenflächen (z.B. Beschichtungsschäden), ein sehr großer
spezifischer Anodenstrom fließen und dadurch lokal an kleinen Anodenflächen zu
einer sehr großen punktuellen Korrosion führen!
3.3.5. Streuströme
"Streustrom ist der in einem Elektrolyten (Erdboden/Wasser) fließende Strom,
soweit er von im Elektrolyten liegenden Leitern stammt und von elektrischen
Anlagen geliefert wird" (DIN 57150/VDE 0150 8.75).
Durch (ungewollte) Streuströme können erhebliche Materialmengen an
Stahlbauwerken abgetragen werden. Relevant sind dabei nur Gleichströme und
meist Stromaustrittsstellen. Als Quellen kommen Kran- und Bahnanlagen,
(kathodische) Fremdstrom- und Schweißanlagen in Frage. Tritt z.B. bei
Schweißarbeiten ein Schweißstromanteil von 100 Ampere als Streustrom auf, dann
werden in 2 1/2 Stunden gemäß dem Faraday'schen Gesetz mehr als 300 g Stahl
aufgelöst.
An Stromeintrittsstellen treten andere unerwünschte Begleitumstände in Form von
übermäßiger Wasserstoff- und/oder Hydroxylentwicklung auf. Dieser Effekt ist
vergleichbar mit einem Überschutz durch KKS-Anlagen.
3.3.6. Fremdkathoden
Materialen und Gegenstände, welche elektrolytisch in Kontakt mit dem zu
schützenden Bauteil stehen und gleichzeitig in der Spannungsreihe der Elemente
darüber stehen, wirken als Fremdkathoden. In Böden können dies z.B. Kohleteilchen
(Ruhepotential vergleichbar mit Graphit) oder Kupfererder und dergleichen sein. Bei
eingetauchten Bauwerken gilt dies für CrNi-Stähle oder auch für Baustahl
(eingebettet in Beton) gegenüber allen freiliegenden Baustahlteilen.
4. Kathodischer Korrosionsschutz
Ein passiver Korrosionsschutz wird durch isolierende Beschichtungen gewährleistet,
die auf der Stahloberfläche den Austausch von elektrischen Ladungen bzw. den
Zutritt des Elektrolyten zur Stahloberfläche verhindern. Damit wird
der anodische Teilschritt oder
der kathodische Teilschritt oder
beide Teilschritte
gemäß der Beschreibung im Abschnitt 3.2 unterbunden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein passiver Korrosionsschutz alleine nur solange
wirksam ist, solange die aufgetragene Beschichtung fehlstellenfrei ist! Sobald
jedoch ein Teil der Beschichtung beschädigt ist, so bildet sich an dieser Fehlstelle
ein anodischer Bereich dessen spezifische anodische Stromdichte von der
Flächenregel und damit vom spezifischen kathodischen Strom und dem Verhältnis
der meist sehr großen beschichteten Fläche (Kathode) zur Fehlstelle (Anode) ist.
Dadurch können sehr hohe lokale Anodenströme mit entsprechenden
Materialabtragsraten wirksam werden! Daher wird meistens eine Kombination von
passiven und aktiven Korrosionsschutz im Stahlwasserbau eingesetzt.
Von einem aktiven Korrosionsschutz spricht man, wenn im Stahl durch Zufuhr von
Gleichstrom ein Elektronenüberschuss erzeugt und aufrecht erhalten wird, so dass
die während einer üblichen Korrosion (anodischer Teilschritt) frei werdenden
Elektronen bei der kathodischen Teilreaktion nicht mehr verbraucht werden.
Voraussetzung dafür ist, dass das Potential so weit abgesenkt wird bis die anodische
Reaktion gestoppt wird, bzw. das Gleichgewichtspotential erreicht ist. Eine zu starke
Absenkung sollte allerdings wegen einsetzender chemischen Reaktionen (u. a. H2-Entwicklung) vermieden werden.
4.1. Wirkungsweise von kathodischen
Korrosionsschutzanlagen
Wie unter Abschnitt 3.2.2 für die anodische Teilreaktion beschrieben wurde, kommt
die Eisenauflösung zum Stillstand, wenn sich die Eisenelektrode, d. h. das zu
schützende Bauteil, derart mit Elektronen angereichert und negativ aufgeladen hat,
dass weitere Eisenatome ihre Elektronen nicht mehr abgeben und deshalb im
Metallverbund verbleiben (Selbsthemmung der Korrosionsreaktion).
Diese Selbsthemmung kann aber nur dann stattfinden, wenn im Elektrolyten
Akzeptoren (Elektronennehmer) wie Sauerstoff gänzlich fehlen. Das ist unter
natürlichen Bedingungen praktisch jedoch nicht der Fall.
Bei der freien Korrosion in Wässern und Böden wird die Elektronensättigung nicht
erreicht bzw. wieder abgebaut, weil der hinzutretende Sauerstoff in Verbindung mit
H2O (s. Abb. 6) entsprechend dem kathodischen Teilschritt (s. Abschnitt 3.2.3)
laufend Elektronen verbraucht.
Abbildung 6: Herausbildung anodischer und kathodischer Bereiche am Stahl
Unter diesen Bedingungen wandern nur noch Elektronen aus dem Metall zur
Phasengrenze, wenn sie bei entsprechender Anwesenheit von Sauerstoff verbraucht
werden können. Dies entspricht einem Stromfluss in technischer Stromrichtung
(Schutzstrom), der aus dem Elektrolyten in die Eisenelektrode (Bauteil) fließt. Dabei
wird das Bauteil insgesamt zu einer Kathode (s. Abb. 7). Anodische Bereiche mit
Metallauflösung können demzufolge nicht mehr existieren, denn der für Anoden
charakteristische Stromzufluss aus dem Metall in den Elektrolyten wird durch
ausreichend hohe kathodische Schutzströme verhindert bzw. kompensiert.
Wenn nur noch kathodische Ströme vorhanden sind, gilt Eisen bzw. Stahl als
kathodisch geschützt, wobei die Korrosionsgeschwindigkeit (Restkorrosion)
praktisch gegen Null geht.
Abbildung 7: Kompensation der Korrosionsströme
Die Elektronensättigung im Zustand der kathodischen Schutzwirkung entspricht
einer negativen Aufladung des Metalls. Damit dieser Ladungszustand auch bei
Elektronenverbrauch durch anwesenden Sauerstoff oder andere Akzeptoren erhalten
bleibt, genügt nicht nur das Anlegen einer Spannung, sondern diese muss auch so
groß sein, dass ständig ein Schutzstrom in die Kathode eingeleitet wird. Seine Stärke
ist abhängig von der Kathodenfläche aKathode [m²] und der erforderlichen
spezifischen Schutzstromdichte i [mA/m²]. Die Schutzstromdichte wird bestimmt
durch die Sauerstoffzufuhr, wobei die Strömungsgeschwindigkeit des Elektrolyten,
die Temperatur, der Salzgehalt, der Bedeckungsgrad mit Deckschichten u.a. jeweils
von Einfluss ist.
4.2. Das Potential als Beurteilungskriterium
Auf Grund der Messung der freien Korrosionspotentiale an einem zu schützenden
Bauwerk kann auf die Korrosionsgeschwindigkeit, den Schutzstrombedarf und
qualitative Korrosionsverteilung geschlossen werden. Dabei liegen die Potentiale
von Baustahl im Binnenwasser (-430 bis –530 mV/Cu) allgemein positiver als im
Meerwasser (-530 bis –600 mV/Cu).
Grundsätzlich deuten negativere Werte auf aktive Korrosionsvorgänge hin, während
positivere Werte auf eine gewisse Schutzschichtbildung, z.B. durch den Belag von
Korrosionsprodukten, hinweisen.
Aus den Potentialunterschieden an einem Bauwerk lassen sich z.B. Hinweise auf
Elementbildung erkennen. Mit der Messung des Potentials kann der Schutznachweis
einer Kathodenschutzanlage erbracht werden. Zunächst wird durch die
Elektronenzufuhr ein e-Überschuss erzeugt, welcher wiederum eine
Potentialverschiebung verursacht. Darüber hinaus kann die Potentialmessung dazu
verwendet werden, die Schutzpotentiale zu steuern bzw. zu regeln.
4.3. Schutzsysteme
Erzeugung des Elektronenüberschusses durch kathodische Schutzanlagen
Der benötigte Schutzstrom wird durch kathodische Korrosionsschutzanlagen
geliefert und möglichst gleichmäßig über das Bauwerk verteilt. Dabei ist es
unerheblich, auf welche Weise er erzeugt wird. Er kann dem Wechselstromnetz
entnommen (Fremdstromanlagen) oder galvanisch erzeugt werden (Anlagen mit
galvanischen Anoden, so genannten Opferanoden).
a) Fremdstrom
Das Wechselstromnetz liefert einer Kathodischen Schutzanlage mit Fremdstrom die
benötigten Elektronen (s. Abb. 8). Dabei ist es erforderlich, die Netzspannung mit
Hilfe eines Schutzstromgeräts auf eine niedrige Spannung von < 50 Volt zu bringen
und mittels Gleichrichter in Gleichstrom umzuwandeln. Am Minuspol des
Schutzstromgeräts stehen dann die benötigten Elektronen zur Verfügung und werden
von da aus in das Bauwerk geleitet. Das entspricht der technischen Stromrichtung
aus dem Elektrolyten in das Bauwerk.
In technischer Stromrichtung muss dem Elektrolyten aus dem Pluspol zudem
Gleichstrom zugeführt werden. Das geschieht über metallisch leitende Elektroden,
die als Fremdstromanoden bezeichnet werden und in den Elektrolyten eintauchen.
Abbildung 8: Fremdstrom Schutzanlage
b) Galvanische Anoden (Opferanoden)
Durch die leitende Verbindung von Metallen mit unterschiedlichen
elektrochemischen Eigenschaften im Elektrolyten kann, ähnlich einer
Taschenlampenbatterie, ein Stromfluss aufgrund des Potentialunterschiedes erzeugt
werden. Dabei wird das unedlere Metall zur Anode und löst sich unter
Elektronenlieferung auf:
Meo -> Me2+ + 2e- (Gl. 5)
Die frei werdenden Elektronen fließen über die elektrisch leitende Verbindung in
das edlere Metall, d. h. in das Bauwerk (s. Abb. 9).
Abbildung 9: Funktionswise einer galvanischen Schutzanlage
Das in dieser galvanischen Kette edlere Metall gibt, unter gleichen elektrolytischen
Bedingungen, wesentlich weniger Elektronen ab als das unedlere Metall und wird
zur Kathode. Dabei übernimmt es den für seinen kathodischen Schutz erforderlichen
Überschuss an Elektronen. Abtragungswerte bestimmter Metallkombinationen sind
in Tabelle 1 zusammengestellt. Damit ist im Prinzip ein galvanisches
Korrosionselement geschaffen. Nur wird dabei gezielt das zu schützende Bauwerk
zur Kathode gemacht und die Korrosion ebenfalls gezielt auf die (austauschbare)
Anode verlagert.
Als unedlere Reaktionspartner für Eisen und niedriglegierte Stähle (Baustähle)
können Zink (Zn), Aluminium (Al) und Magnesium (Mg) verwendet werden.
4.4. Technische Vor- und Nachteile beider
Schutzsysteme
Obwohl die kathodische Schutzwirkung auf den gleichen elektrochemischen
Vorgängen beruht und grundsätzlich sowohl mit galvanischen Anoden als auch mit
Fremdstrom gleich gut erzielt werden kann, sind einige charakteristische Eigenarten
und Unterschiede zu berücksichtigen:
a) Fremdstromanlagen
- Anodenspannung von 0 – 50V einstellbar, damit Schutzstrom und
Potential regulierbar
- Ein- und Ausschaltpotentiale messbar, genauere Messung des
Schutzzustandes
- Generell wesentlich größere Schutzströme möglich
- Kann durch einen breiten Einstellbereich auch bei großem Strombedarf
durch Beschichtungsalterung und –fehlern die Anlage wirksam schützen.
- Verschieden Schutzbereiche können separat geregelt werden.
Abbildung 9: Funktionsweise einer galvanischen Schutzanlage
- Automatische Regelung ermöglicht eine optimale Anpassung an
veränderte Betriebsbedingungen.
- Meist höhere Lebensdauer der Anoden möglich.
b) Anlagen mit galvanischen Anoden
- Durch geringe Treibspannung nur für Flächen mit relativ geringem
Schutzstrombedarf wirtschaftlich einsetzbar.
- Werden meist direkt mit dem Bauwerk durch Schweiß- oder
Schraubverbindungen unter Wasser befestigt.
- Durch permanenten Kontakt können keine Ausschaltpotentiale gemessen
werden.
- Schwankungen der Umgebungsbedingungen (Leitfähigkeit des Wassers,
Temperaturschwankungen) können nicht ausgeglichen werden. Dadurch
evtl. temporärer Unterschutz oder Überschutz (bei Magnesiumanoden).
- Schichtbildung oder Passivierung der Anodenoberfläche können die
Funktion beeinträchtigen.
5. Beispiele für kathodisch geschützte Bauwerke
Beispiele für Seewasserbauwerke, welche kathodisch korrosionsgeschützt werden,
sind:
- Hafenanlagen (Spundwände und Pfeiler, Abb. 11 und 12)
- Tankerlöschbrücken (Abb. 15)
- Schiffsanleger (Abb. 14)
- Offshore-Plattformen (Abb. 13)
- Offshore-Pfeiler (z. Bsp. für Windkraftanlagen)
- Offshore-Rohrleitungen
- Stahlbetonkonstruktionen
- Schleusen (Abb. 10)
Abbildung 10: Schleusen
Abbildung 11: Spundwand
Abbildung 12: Spundwand
Abbildung 13: Platform
Abbildung 14: Anleger
Abbildung 15: Brücke
Literatur:
[1] Evans: Einführung in die Korrosion der Metalle, Weinheim 1965
[2] HTG: Kathodischer Korrosionsschutz im Wasserbau, 3. Auflage 2009